Wird nach Corona die Hochzeitswelt eine andere sein?

Das schönste Fest aller Feste soll es werden. Alle Gäste sollen beeindruckt sein von der Stimmigkeit des Gesamtkonzeptes, sich immer wieder überrascht fühlen und sich noch lange an diese besondere Feier erinnern. Natürlich müssen die Farbe der Einladungskarte und die liebevollen Details der Deko optimal aufeinander abgestimmt sein. Und die Pfingstrosen sollen genau den Rosa-Blush-Ton besitzen, der so schön auf einem der Hochzeitsblogs in einem Styled Shoot dargestellt war. Und überhaupt wäre es phantastisch, wenn genau diese Hochzeit selbst später Darstellung in einem renommierten Hochzeitsblog fände. Schließlich hatte ein Hochzeitsplaner für viel Geld bereits zwei Jahre vor dem großen Tag ein perfektes Moodboard angelegt gehabt, man hatte sich bei der besten aller Fotografinnen, beworben, um dort Kundin sein zu dürfen, hat gebangt, ob der Fotografin der Style des Brautkleides gefallen würde, von dem man ein Foto mit eingeschickt hatte – vor allem da man Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt hatte, dieses einzigartige Kleid aus dem Ausland zu beziehen – und an jedem kleinsten Detail bis ins Finale getüftelt. Zwischendurch gab es Tränen, weil die ausgesuchten Gastgeschenke aus den USA nicht pünktlich geliefert werden konnten, die Hochzeitsplanerin mit der schlechten Nachricht kam, dass sie einfach keinen Schwan auftreiben konnte, der die Ringe zum Altar bringt und am Ende hatte der Wetterbericht auch noch eine Woche vor der Hochzeit plötzlich Regen angesagt. Und das, trotzdem man extra einen Hochzeitsplaner beauftragt hatte und die Budgetuhr am Ende ihren Zeiger auf 25.000 Euro gedreht hatte.

 

Szenenwechsel. Wir haben April 2020. Eigentlich waren da die Pläne, im Frühsommer diesen Jahres zu heiraten. Stattdessen wurde die Welt mal eben lahmgelegt. Unsicherheit. Bangen. Und der tiefe Wunsch, dass all das mit den Veranstaltungsverboten und Einschränkungen doch bald ein Ende finden möge. Welche Farbe sollten nochmal die Pfingstrosen haben? Ach egal… Hauptsache, alle Menschen, die einem am Herzen liegen, können endlich wieder unbeschwert zusammenkommen und das Leben feiern. Chateaubriand kann nicht für 100 Gäste gleichzeitig innerhalb von zehn Minuten serviert werden? Das macht doch gar nichts! Hauptsache endlich mal wieder nicht allein essen. Es könnte regnen und die Trauung muss doch als Plan B drinnen stattfinden? Im Saal ist es doch auch schön! Hauptsache es dürfen mehr als zwei Personen anwesend sein! Jetzt ist nicht die Zeit um auf Details zu achten. Es ist Zeit um zu FEIERN.

 

„Nun ja, ich weiß schon, was die damit sagen will, aber mit den Ausführungen oben hat sie ja schon etwas übertrieben.“, denkst du? Ich versichere dir: Das war ein bunter Mix aus eigenen Erlebnissen der letzten 15 Jahre Hochzeitsplanung. Ja, ich gebe an dieser Stelle offen zu: ich war tatsächlich schon Hochzeitsplanerin, als Hochzeitsblogs und Fotografen noch keine Trends vorgaben. Meine ersten Ideensammlungen für Brautpaare habe ich noch aus Hochzeitsmagazinen ausgeschnitten und Infused Water hätte man damals auf einer Krankenstation vermutet und nicht an einer Sweeties Bar auf einer Gartenhochzeit. Im Boho-Style, versteht sich. Und doch habe ich jeden Samstag in strahlende Augen geschaut. Man bedankte sich nicht mit einer 5-Sterne-Google-Bewertung, sondern stand mit liebevoll ausgesuchten Blümchen ein paar Tage später vor der Tür. Good Job!

 

Nein, ich möchte nun nicht mit euch in eine „Früher war alles besser.“ Melancholie verfallen. Ich habe mich nur in den letzten Jahren immer wieder gefragt, warum eine Hochzeit eigentlich plötzlich so zum Super-Event statt zu einer liebevollen Familienfeier geworden ist. „Höher, schneller, weiter“ wurde plötzlich zum Motto und ich bekam fast Schnappatmung, als ich von der ersten Fotografin hörte, bei der man sich mit einem Foto von sich und von seinem Kleid mit einer Skizze der Hochzeitsidee bewerben musste. Schließlich musste die Hochzeit ins Portfolio passen. Stellt euch vor, ich hatte einmal eine herzensgute Braut, die geerbt hatte und wirklich bereit war, Geld für ihren Traumtag auszugeben. Allerdings wog sie gut 150 Kilo und nachdem man bereits in 3 Brautmodenläden keinen Termin mit ihr machen wollte, kam sie weinend zu unserem nächsten Treffen. Eine liebe Designerin aus unseren Kontakten hatte ihr dann ein wunderschönes Kleid geschneidert, das perfekt ihre Vorzüge herausstellte. Lasst mich euch kurz an einer Trauung teilhaben lassen, die ich vor zwei Jahren als Traurednerin mitgestalten durfte. Es war die Trauung eines herzensguten Paares. Sie wohnten auf einem kleinen Hof und hatten sich gefunden, als sie – eine alleinerziehende Mutter – Hilfe suchte um einen Sandkasten für ihre kleine Tochter anzulegen. Einfache, herzensgute Menschen, die mittlerweile noch eine gemeinsame Tochter bekommen hatten. Als ich am Tag der Hochzeit zur Location kam, stand ich vor einer ausgeräumten Feuerwehrhalle mit Plastikstühlen. Die karge Deko bestand aus roten Rosen mit Efeu und mein erster Gedanke war „Okay, von dieser Traurede wird es wohl keinen Post auf unserem Insta-Kanal geben.“ Schließlich hatten wir kurz zuvor in einer Tagung von einer Bloggerin gelernt, wie man ein optimales Instaprofil aufbaut. Alles musste Schaufensterqualität haben. Natürlich legte ich all mein Herzblut in die Traurede, aber es musste ja niemand davon wissen. Und plötzlich – mitten in der Trauung als ich gerade zum Ja Wort übergehen wollte- geschah etwas, was nicht abgesprochen war. Der Bräutigam, ein einfacher liebenswerter Mann im C&A Anzug stand auf, holte eine kleine Schachtel aus der Hosentasche und begann – seine Aufmerksamkeit auf die beiden kleinen Mädchen gerichtet – unter Tränen mit den Worten: „Ich möchte euch als Erinnerung an mein folgendes Versprechen diese kleinen Armbänder schenken. Ich verspreche euch, dass ich immer für euch beide da sein werde. Dass ich mit euch jeden Spielplatz der Umgebung erkunden werde. Dass ich mit einem Lächeln auch nachts an euer Bett komme, wenn ihr Albträume habt …“ Die ganze Gesellschaft war ergriffen und mir als Rednerin liefen die Tränen! DAS war die Hochzeitswelt, die ich liebte. Ganz egal ob man auf Instagram eine Story daraus machen könnte.

 

Warum erzähle ich euch dies alles? Nun, Corona hat uns allen vielleicht ein Stück weit gezeigt, was im Leben wirklich zählt. Wie einsam sitzt man in seiner teuren Wohnung mit Rheinblick, wenn keine Freunde auf ein Glas Wein kommen können? Und was nutzt die perfekte Location nach der man anderthalb Jahre gesucht hat, wenn sie nun doch nicht vom fröhlichen Lachen der Gäste gefüllt wird? Plötzlich hätte sogar ein Essen an einer langen Tafel im eigenen Garten Charme. Und hey, warum muss man sich den Stress machen, das Schleifenband für die Gastgeschenke noch im passenden Farbton zu bekommen? Auf all das kommt es doch wirklich nicht an. Hauptsache alle zusammen ohne Sicherheitsabstand! Und wer weiß, vielleicht würde sich ja sogar die Fotografin, bei der sich die Bewerbungsmappen stapeln, Lust auf eine Feuerwehrhallenhochzeit als Alternative zur „Soforthilfe“?!

Seien wir gemeinsam gespannt darauf, wie sich die Hochzeitswelt vielleicht nach Corona verändern wird. Mögen wir alle die Erfahrungen, die wir gerade machen dürfen, im Herzen bewahren und die Entschleunigung der Zeit und unserer Vorstellungen, dessen, was uns glücklich macht, mit in eine „Zeit danach“ nehmen.

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Foto:Seel Photodesign

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